Angewandte Forschung
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Standort Leipzig führen Projekte der Kooperativen Forschung sowie Auftragsforschung durch. Sie verfolgen darüber hinaus unabhängig von konkreten Projekten verschiedene Forschungsinteressen. Unter Work in Progress finden sich Impressionen aus laufenden Forschungsprojekten.
Laufende Forschungs- und Transferprojekte
1. Immobilienmarktgestützte Attraktivitäts- und Potenzialanalysen für ausgewählte Regionen im Freistaat Sachsen
Team: Prof. Dr. Ralf Guckel (Projektleitung), Prof. Dr. Kerry-U. Brauer, Konstantin Hoffie
Die Zielstellung des Projektes besteht u. a. darin, Ansätze zur direkten und indirekten Messung von Wohnortpräferenzen zu erproben. Darüber hinaus soll der Zusammenhang zwischen diesen Präferenzen und bestimmten Wohnort-Merkmalen analysiert werden.
Das Forschungsprojekt wird im Zeitraum Juli 2021 bis Dezember 2024 durchgeführt. Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes. Die Sächsische Aufbaubank hat hierfür eine Zuwendung in Höhe von 485.350 EUR bewilligt.
2. Wohnungsmarktbericht für die Stadt Leipzig
Team: Prof. Dr. Kerry-U. Brauer (Projektleiterin), Prof. Dr. Ralf Guckel
Seit dem Jahr 2017 erscheint regelmäßig der in Zusammenarbeit mit der PISA Immobilienmanagement GmbH & Co. KG erstellte Marktbericht für Wohnimmobilien für die Stadt Leipzig. Es handelt sich um den detailliertesten Marktbericht dieser Art. Der Bericht bietet den Marktteilnehmern einen Anhaltspunkt über genaue Miet- und Kaufpreise in allen Ortsteilen der Stadt. Der Markt kann damit gerade in Zeiten eines dynamischen Wachstums besser beurteilt werden.
3. Erreichbarkeit von Krankenhäusern und Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen
Team: Prof. Dr. Harald Englisch (Projektleiter), Prof. Dr. Ingolf Brunner, Prof. Dr. Ralf Guckel
Krankenhäuser in ländlichen Regionen sind häufig Kristallisationspunkte der integrierten Versorgung. Die Schließung von Einrichtungen wirkt sich nicht nur auf die stationäre, sondern auch auf die ambulante Versorgung in der betreffenden Region aus. Gegenstand des Projektes ist die kritische Analyse der Kriterien, die direkt oder indirekt über die Schließung von Einrichtungen der Krankenversorgung entscheiden.
Weitere Forschungsinteressen
Jahresabschlussanalyse von Unternehmen
Prof. Dr. Constanze Stuhr
Die europäischen Bestrebungen zur Harmonisierung der Rechnungslegung haben zu Veränderungen im Deutschen Rechnungswesen geführt. In Konkurrenz zu den HGB-Rechnungslegungsregeln sind die International Financial Reporting Standards (IFRS) getreten. Das Forschungsinteresse richtet sich auf die Herausforderungen, die sich dadurch für die Beurteilung von Unternehmen mithilfe von externem Datenmaterial ergeben. Außerdem soll eruiert werden, welchem Rechnungslegungssystem aus Sicht eines externen Analysten der Vorzug zu geben wäre.
Ermüdung von Konstruktionswerkstoffen
Prof. Dr. Ingo Walther
Die Ermüdung (hier: Festigkeitsverlust infolge zyklischer Belastungen) ist die häufigste Form der Schädigung von Konstruktionswerkstoffen. Bestehende Modelle weisen aber beim Vergleich zwischen Experiment und Vorhersage teilweise sehr große Differenzen auf. Das ist insbesondere im Fall von Blockprogrammen der Fall.
Analyse kleiner Stichproben
Prof. Dr. Ingo Walther
Die Analyse experimentell gewonnener Daten ist in der Technik oft problematisch. Einerseits ist der Stichprobenumfang aus ökonomischen Gründen oft sehr klein. Andererseits treten zensorisierte Daten (Intervalldaten, Versuchsabbrüche u. ä.) auf. In Abhängigkeit von den gewählten Analysemethoden werden in solchen Fällen häufig stark voneinander abweichende Verteilungsparameter ermittelt. Für technische Anwendungen ist hierbei insbesondere die WEIBULL-Verteilung von Interesse.
Homogen polarisierte Dielektrika
Prof. Dr. Ralf Guckel
Wird ein dielektrischer Körper einem elektrostatischen Feld ausgesetzt, dann entsteht ein elektrostatisches Gesamtfeld. Dieses Gesamtfeld unterscheidet sich vom angewandten Feld aufgrund von Polarisationsladungen längs der Berandung des Dielektrikums. Gegenstand des Forschungsthemas ist die folgende Frage: Welche Gestalt kann ein dielektrischer Körper annehmen, wenn das angewandte Feld und das Gesamtfeld in seinem Inneren fest vorgeschrieben werden? Der innovative Ansatz besteht darin, das Problem als Hindernisproblem für das Gravitationspotential des unbekannten Dielektrikums aufzufassen, wobei die Gestalt des Dielektrikums als Kontaktmenge der Lösung in Erscheinung tritt. Es werden drei Ziele verfolgt: a) Ausleuchtung des Lösungsraumes durch Implementation eines geeigneten numerischen Algorithmus für das skizzierte Hindernisproblem, b) Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der Lösung und den elektrostatischen Feldern sowie den Materialeigenschaften, c) Suche nach sinnvollen Verallgemeinerungen und technologischen Anwendungsmöglichkeiten.
Immobilienmarktgestützte Attraktivitäts- und Potenzialanalysen für ausgewählte Regionen im Freistaat Sachsen
Problem- und Zielstellung
Das Projekt ist der Frage gewidmet, wie insbesondere nicht-urbane Räume im Freistaat Sachsen als attraktive Lebensstandorte wahrgenommen werden bzw. wie sie zu solchen entwickelt werden können. Zur Beantwortung dieser Frage reicht die Analyse objektiver Wohnort-Merkmale nicht aus. Darüber hinaus sind die subjektive Wahrnehmung dieser Merkmale durch die Bevölkerung sowie der Zusammenhang zwischen objektiven Wohnort-Merkmalen und der subjektiven Wahrnehmung mit einzubeziehen.
Die thematische Verknüpfung zur Immobilienwirtschaft ergibt sich aus der Relevanz objektiver Wohnort-Merkmale für die Beurteilung von Wohnimmobilienmärkten. Zum einen sind Immobilien untrennbar mit ihrem Standort verbunden. Zum anderen sind Immobilien-Nutzer infolge der hohen Substitutions- bzw. Transaktionskosten in der Regel mittel- oder langfristig an eine Immobilie gebunden. Objektive Wohnort-Merkmale beeinflussen daher bspw. den am betreffenden Ort verspürten Nachfragedruck oder den vom Immobilien-Nutzer akzeptierten Miet- bzw. Kaufpreis. Es scheint sinnvoll zu sein, diesen Einfluss im Vergleich zu anderen Einflussfaktoren sichtbar zu machen, um die Attraktivität und das Entwicklungspotenzial eines Standortes zu beurteilen. Die Umsetzung dieses Vorhabens ist jedoch - wegen der Intransparenz und Heterogenität von Immobilienmärkten - mit erheblichen methodischen Schwierigkeiten verbunden.
Die fachliche Zielstellung besteht also in der Entwicklung methodischer Ansätze für die Analyse
- der objektiven Wohnort-Merkmale,
- der subjektiven Wahrnehmung bzw. Wertung dieser Wohnort-Merkmale,
- des Zusammenhangs zwischen (I) und (II)
sowie deren Anwendung auf Attraktivitäts- und Potenzialanalysen ausgewählter nicht-urbaner Regionen im Freistaat Sachsen.
Die überfachliche Zielstellung besteht in der Erweiterung der Methodenkompetenz im Fachbereich Immobilienwirtschaft und seiner interdisziplinären Vernetzung innerhalb und außerhalb der Berufsakademie Sachsen.
Zeitdauer und Förderung
Das Projekt wird im Zeitraum Juli 2021 bis Dezember 2024 mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes. Die Sächsische Aufbaubank hat hierfür eine Zuwendung in Höhe von 485.350 EUR bewilligt. Das zur Verfügung gestellte Budget wird eingesetzt für
- die Einrichtung einer Personalstelle für einen Wissenschaftlichen Mitarbeiter
- die Verbesserung der Technischen Ausstattung (Datenbank-Server, GIS-Workstations)
- den weiteren Ausbau der Forschungsdatenbank
- die Durchführung von Primärerhebungen
Projektteam
Prof. Dr. Kerry-U. Brauer
M. Sc. Konstantin Hoffie (Projektmitarbeiter)
Prof. Dr. Ralf Guckel (Antragsteller, Projektleiter)
Methodischer Ansatz
Objektive Wohnort-Merkmale lassen sich recht gut anhand verschiedener geostatistischer Methoden beobachten. Deren subjektive Wahrnehmung wird durch latente Wohnort-Präferenz-Relationen bestimmt, die sich weniger gut beobachten lassen. Beobachtbar sind lediglich offenbarte Präferenzen, und zwar in Gestalt von Wohnort-Interessen und Wohnort-Entscheidungen:
Die vier sich daraus ergebenden methodischen Ansätze sollen im Projekt zwar alle grundsätzlich weiterverfolgt werden. Als Schwerpunkt wird aber - aus verschiedenen Gründen - die Sekundär-Analyse des Wohnort-Interesses über das Suchverhalten auf der Internet-Plattform ImmobilienScout24 (IS24) angesehen. Das Hauptziel besteht in der Entwicklung von Modellansätzen zur Erklärung des Wohnort-Interesses durch Wohnort-Merkmale.
In der Anfangsphase des Projektes geht es zunächst um
- die Entwicklung eines Realmodells zur Beschreibung der Prozesse, die zur Herausbildung und Offenbarung von Wohnort-Interessen und -Entscheidungen führen,
- die Operationalisierung von Merkmalen, die bspw. das Wohnort-Interesse beobachtbar machen.
Impressionen / Work in Progress...
1. Erstentwurf des Realmodells
Das Projektteam hat den Ansatz für ein Realmodell entwickelt, welches den individuellen Prozess beschreibt, in dessen Verlauf Wohn-Präferenzen in Gestalt von Wohn-Interessen und Wohn-Entscheidungen offenbart werden. Die Abbildung rechts zeigt eine vereinfachte Darstellung dieses Modells.
In dem Modell wird der individuelle Prozess
- vom Entstehen der Notwendigkeit einer Wohnort-Entscheidung
- über die Offenbarung des Wohnort-Interesses durch das Suchverhalten auf IS24
- bis zum Treffen der Wohnort-Entscheidung
beschrieben. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass Individuen ihre Wohn-Interessen durch ihr Suchverhalten auf IS24 offenbaren (schwarze und grüne Zustands-Übergänge). Das Wohn-Interesse lässt sich an den Spuren, die dieses Suchverhalten in der IS24-Datenbank hinterlässt, in aggregierter Form nachvollziehen. Nach einer gewissen Zeit der Suche treffen die Individuen eine Wohnort-Entscheidung (rote Zustands-Übergänge) und gelangen somit zum Ausgangspunkt des Prozesses zurück. Die Prozess-Schritte sind teilweise beobachtbar und können verwendet werden, um Zustands-Übergangswahrscheinlichkeiten (p…) zu schätzen. Diese können ihrerseits verwendet werden, um Attraktivitätsmaße für die zugrundeliegenden geographischen Regionen zu konstruieren.
2. Beispielauswertung der IS24-Datenbank
Die Aufbereitung und Auswertung der Immobilienmarkt-Daten von ImmobilienScout24 erweist sich als Herausforderung. Die statistischen Einheiten dieser Datenquelle sind so genannte „spells“. Sie lassen sich vereinfacht als Aktivitäts-Zeitfenster für Immobilien-Angebote beschreiben. Die zeitlichen Überlappungen von „spells“ zur (mutmaßlich) gleichen Immobilie verlangen nach einer adäquaten Aufbereitung. Nach dieser Aufbereitung bleibt jedoch eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der genauen Zuordnung der Laufzeittage eines „spells“ zum Angebotszeitraum bestehen. Denn das spell-Merkmal laufzeittage steht taggenau zur Verfügung, der spell-Angebotszeitraum (in Gestalt der Merkmale ajahr, amonat, ejahr, emonat) jedoch nur monatsgenau. Die Verteilung der Laufzeittage auf die Laufzeit des Angebots ist nicht eindeutig. Diese Unsicherheit kommt in der folgenden Beispiel-Auswertung zum Ausdruck:
Datenquelle: RWI; ImmobilienScout24 (2021): RWI Real Estate Data - Apartments/Houses for Rent/Sale - suf. RWI-GEO-RED. Version: 1. RWI – Leibniz Institute for Economic Research.
Dokumentation: Schaffner, S. (2020), FDZ Data description: Real-Estate Data for Germany (RWI-GEO-RED) - Advertisements on the Internet Platform ImmobilienScout24, RWI. RWI Projektberichte, Essen.
Dargestellt ist für jeden Monat im Zeitraum 01/2007 - 06/2021 die jeweils kleinstmögliche (dunkelblau), die größtmögliche (hellblau) und die bei gleichmäßiger Verteilung der Suchintensität zu erwartende (schwarz) Summe der dem betreffenden Monat zuzuordnenden Laufzeittage von Immobilien-Angeboten in Deutschland. Diese Größen lassen sich als „Intensität des Angebots“ interpretieren. Neben dem langfristig rückläufigen Angebot in allen Immobilien-Kategorien fällt das in einigen Zeiträumen qualitativ unterschiedliche Verhalten auf, z. B. im Jahr 2015 (zu Beginn der Flüchtlingskrise).
3. Zielregionen im Zeitverlauf
Bei der zukünftigen Validierung der Ergebnisse ist eine Beschränkung auf ausgewählte geographische „Ziel-Regionen“ erforderlich. Es konnten verschiedene Partner gewonnen werden, die das Projekt mit ihrer Markt-Expertise begleiten. Daraus resultiert auch die folgende vorläufige Auswahl der Ziel-Regionen:
- Ziel-Region 1: Delitzsch mit Umgebung
- Ziel-Region 2: Riesa und Oschatz mit Umgebung
- Ziel-Region 3: Hoyerswerda mit Umgebung
Datenquelle: Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG): Verwaltungsgebiete 1:250 000 (Ebenen) Datenlizenz: © GeoBasis-DE / BKG 2019, Datenlizenz Deutschland - Namensnennung - Version 2.0
In der ersten Kartendarstellung (links oben, „2019“) sind die Ankerstädte der Ziel-Regionen grün eingefärbt. Die geographische Abgrenzung der Gemeinden entspricht dem Gebietsstand zum 31.12.2019. Das gilt ebenso für die drei weiteren Kartendarstellungen. Allerdings wurden darin diejenigen Gemeinden schwarz maskiert, die im Vergleich zum Jahr 2015, 2011 bzw. 2007 eine relevante Veränderung des Gebietsstandes aufweisen. Dazu wurden mit Hilfe von PostGIS-Berechnungen diejenigen Gemeinden identifiziert, die zur Gemeinde mit der größten gemeinsamen Schnittfläche im Vergleichsjahr eine symmetrische Flächen-Differenz von mehr als 5% aufweisen. Dadurch wird deutlich, dass bei der Verknüpfung oder Interpretation von Gemeinde-bezogenen Daten über einen längeren Zeitraum hinweg die unterschiedlichen Gebietsstände berücksichtigt werden müssen. Im vorliegenden Fall gilt dies vor allem für die Ziel-Region 1.
4. Eingereichter Konferenzbeitrag
Dieser Text wurde vom Projektmitarbeiter Konstantin Hoffie als Beitrag für den vom RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung e. V. organisierten Workshop „Causal Inference with Spatial Data“ eingereicht.
Der Artikel beschreibt einen ersten konkreten Ansatz zur Erklärung des Wohnort-Interesses durch Wohnort-Merkmale mit Hilfe eines statistischen Modells. Als Indikator für das Interesse an einer Gemeinde dient die Anzahl der in Bezug auf die Gemeinde gestellten IS24-Suchanfragen (Merkmal query_gem). Dieses latente Merkmal muss in einem ersten Schritt aus der gemeinsamen Verteilung der Merkmale liste_match, mietekalt, wohnflaeche und zimmeranzahl in der Gemeinde geschätzt werden. Zu diesem Zweck wird das Konzept des „Hypothetischen Angebots“ entwickelt. Die Parameter dieses Angebots (kleine Miete, große Ausmaße) führen dazu (bzw. würden dazu führen), dass jede an die betreffende Gemeinde gerichtete Suchanfrage dieses Angebot als Suchtreffer liefert (bzw. liefern würde). In einem zweiten Schritt lässt sich dieses Merkmal dann in Beziehung zu den Wohnort-Merkmalen der Gemeinde setzen.